Sanfter Übergang bei MPS Micro Precision Systems – Ein Duo im Interview

Ende 2024 in den Ruhestand gehen? Es ist zu befürchten, dass CEO Nicola Thibaudeau nicht so ganz versteht, was damit gemeint ist, denn sie hat die Branche über 20 Jahre lang mit unermüdlicher Präsenz und Energie geprägt. Auch Gilles Robert, der sich anschickt, ihre Nachfolge anzutreten, kommt zu Wort. Erinnerungen und Zukunftsaussichten vermischen sich mit Emotionen.

 Joël A. Grandjean / JSH News 1876

Nicola Thibaudeau (NT), wie viele Mitarbeiter hatten Sie, als Sie die Leitung von MPS übernahmen? Wie viele sind es heute?

Als ich 2003 ins Unternehmen eintrat, gab es 95 Mitarbeiter in Biel und 35 in Bonfol, insgesamt 130. Heute sind wir 560 in Biel, Bonfol, Court, Glovelier, La Chaux-de-Fonds, Boston.

Gilles Robert (GR), wird sich dieses Wachstum fortsetzen?

MPS ist ein auf Innovation und Wachstum ausgerichtetes Unternehmen. Diese werden in erster Linie durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter generiert. Daher ist es selbstverständlich mein Bestreben, diesen Kurs fortzusetzen.

Was wussten Sie vom Unternehmen und seiner Geschichte, bevor Sie bei MPS eintraten?

NT: Ich hatte einen Freund, der dort arbeitete und ein grosser Fan von Kugellagern ist! Als Direktorin bei Mécanex in Nyon hatte ich bei RMB (Vorgänger von MPS) Mikromotoren gekauft. Bei meinem Einstieg bei MPS am 1. Dezember 2003 wusste ich, dass das Unternehmen eine beträchtliche Umstrukturierung hinter sich hatte und das Know-how immer noch vorhanden war, trotz der Entlassungen von mehreren hundert Mitarbeitern in den Jahren zuvor. Dann entdeckte ich die grossartige Unternehmensgeschichte von RMB, von der Erfindung des Uhrenlagers bis zur Entwicklung von Lagern für die erste Mondlandung und den Lagern für Kinderwagen und Rollschuhe – das war wirklich beeindruckend!

GR: Ich kannte MPS natürlich schon, bevor ich dort eintrat, vor allem durch die Projekte unserer Abteilung für Mikrosysteme: Kunstherzen, implantierbare Pumpen, Faserpositionierer für Teleskope …. Dann entdeckte ich die aussergewöhnlichen historischen Kompetenzen im Bereich der Uhrenlager, mit einem starken Fokus auf die Materialien, was mir durchaus zusagte. Die Vielfalt und der Einfallsreichtum der Projekte haben mich immer beeindruckt. Nach zwei Monaten im Unternehmen stellte ich fest, dass dort eine noch viel grössere Vielfalt herrschte, als ich dachte!

Frau Thibaudeau, Sie kamen aus einem anderen Bereich als die Uhrenindustrie in ein Unternehmen mit ausgeprägtem und spezifischen Kerngeschäft. War dies für die Entwicklung des Unternehmens ein Vorteil oder ein Handicap?

NT: Meine Erfahrung war vielfältig, aber immer in der Mikrotechnik angesiedelt, da ich fast zehn Jahre lang bei IBM in Kanada und Cicorel auf dem Gebiet der Hochleistungsleiterplatten gearbeitet hatte, sodann neun Jahre im Raumfahrtbereich bei Mécanex. In den letzten beiden Stellen, bei Mécanex und Cicorel, hatte ich wichtige Projekte in der Uhrenindustrie. Die umfassende berufliche Erfahrung auf verschiedenen Gebieten ermöglicht Synergien und positive Beiträge.

Ist es für Sie, Herr Robert, ein Nachteil oder ein Vorteil, aus einem vertrauten Umfeld zu kommen, in dem jeder jeden kennt? Gibt einem das einen Vorsprung, oder scheut man dann das Wagnis, «Out of the box» zu denken?

 

GR: Angesichts der Komplexität der Produkte ist es sicherlich von Vorteil, vor dem Eintritt ins Unternehmen über Vorkenntnisse zu verfügen. Diese Vorkenntnisse liegen vor allem in der Umsetzung eines besonderen Geschäftsmodells, das von vielen Unternehmen in unserer Region praktiziert wird: die Herstellung komplexer und anspruchsvoller Komponenten oder Systeme für sehr unterschiedliche Märkte und Anwendungen, wobei man die aussergewöhnlichen Kompetenzen nutzt und ausbaut, über die wir verfügen. Ich bin davon überzeugt, dass wir durch unsere Offenheit gegenüber einer Vielzahl von Märkten und Technologien letztlich jedem unserer Kunden am besten dienen können, da sie von Erfahrungen und Know-how auf höchstem Niveau profitieren.

Sind Ihre früheren Positionen bei Ceramaret, Metallor und Sulzer ein Vorteil?

GR: Eine der grössten Stärken von MPS sind seine Mitarbeitenden und ihr Fachwissen. Es geht mir darum, diese Kultur zu erhalten und weiterzuentwickeln, damit wir technologisch immer an der Spitze bleiben. Wenn eine Organisation grundsätzlich in der Lage ist, fast alle Herausforderungen mikromechanischer Anwendungen zu bewältigen, bleibt trotzdem die Herausforderung, mit Bedacht die zu realisierenden Projekte und zu erschliessenden Märkte auszuwählen. In meiner Laufbahn hatte ich das Glück, in sehr vielen verschiedenen Bereichen und Technologien zu arbeiten, immer in weltweit führenden Unternehmen. Mit der Zeit glaube ich auch, ein wenig verstanden zu haben, was das «Schweizer Genie» ausmacht, das es so vielen hiesigen Unternehmen ermöglicht, erstklassige Kunden in der ganzen Welt zu bedienen. Über diesen Hintergrund hinaus freue ich mich darauf, bei MPS neue Facetten dieser Themen zu entdecken und mich weiterzuentwickeln.

Was waren Ihre grössten Erfolge in Bezug auf Materialien?

NT: Das 2004 patentierte schmierungsfreie Lager mit Keramikkugeln, und jetzt Super Myrox, ein völlig unmagnetisches, korrosionsbeständiges und leistungsstarkes Lager.

 

 

 

In Ihren früheren Positionen waren Materialien von grosser Bedeutung. Welche Forschungen laufen derzeit bei MPS auf diesem Feld?

GR: Neue Materialien sind heute eine der Säulen jedes fortschrittlichen Systems. MPS zeichnet sich nicht nur durch seine Designleistungen aus, sondern auch durch seine Fähigkeit, die entwickelten Systeme tatsächlich in Serie zu produzieren. Die Beherrschung der Herstellung fortschrittlicher Materialien ist daher von entscheidender Bedeutung, und wir arbeiten an zahlreichen Entwicklungen zu eher «exotische» Materialien und innovativen Verfahren, mit denen wir unsere Kunden überraschen möchten. Ich freue mich darauf, hierbei einen Teil meiner Erfahrung einzubringen.

Wo liegen oder lagen die Grenzen Ihrer kontrollierten Expansion: im Arbeitsmarkt, bei erhöhten Energiekosten usw.?

NT: No limit!

GR: Um in unseren Märkten erfolgreich zu sein, bedarf es sehr hoher Kompetenzen, sowohl bei den Mitarbeitern als auch auf der Ebene der Organisation. Da es Zeit braucht, diese Fähigkeiten zu entwickeln und zu beherrschen, ist dies wahrscheinlich die eigentliche Grenze für langfristiges Wachstum. Man muss also mit Menschen zusammenarbeiten, die bereits über ausgeprägte Fähigkeiten verfügen, die aber auch in der Lage sind, effektiv mit dem Rest der Organisation zu interagieren, damit in allen Dimensionen Fortschritte erzielt werden. Sehr oft stelle ich fest, dass es effizienter ist, sich auf Personen zu konzentrieren, die lernbegierig sind und wissen, wie man bedacht Risiken eingeht, als «Stars» einzustellen.“

Was werden Sie beide in Ihrer Freizeit machen? Was sind Ihre Leidenschaften?

NT: Ich wurde im Oktober 2024 in den Gemeinderat von Orsières im Wallis gewählt und werde mein Amt 2025 antreten.

GR: Da ich den Grossteil meiner Zeit in einer eher rationalen Industriewelt verbringe, schöpfe ich neue Kraft aus dem Kontakt mit der Natur, indem ich Sport treibe oder gärtnere, aber auch in die Welt der Kreativität, der darstellenden Künste und der Erzählungen eintauche.

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